6. Mai 2015

[Review] "Fifty Shades of Grey"

Ein langweiliger Abend und meine Neugierde auf den Film haben mich gestern dazu gebracht, mir den gleichermaßen umstrittenen und gehypten Film "Fifty Shades of Grey" anzusehen. Ich hatte vor zwei Wochen das Buch gelesen und war positiv überrascht davon. Es hat mich gefesselt, ich hab die Personen verstehen und ins Herz schließen können und die Story war gar nicht so plump und oberflächlich wie ich dachte.

Der Film kommt leider nicht annähernd an das Buch ran. Der Inhalt ist, denke ich, jedem bekannt: unerfahrenes Mädchen verliebt sich in unnahbaren Millionär, der sie in die BDSM-Welt einführt. Das Buch schafft es, sowohl Anastasia Steel als auch Christian Grey als Persönlichkeiten darzustellen, in die man sich als Leser hinein versetzen kann. Sie studiert englische Literatur, steht kurz vor ihrer Abschlussprüfung und macht sich viele Gedanken über ihre berufliche Zukunft. Sie ist introvertiert, trinkt nicht, geht kaum feiern und hat nur einige dafür aber sehr gute Freunde. Sie hat ein enges Verhältnis zu ihrer Familie, braucht deren Liebe und Zuneigung. Sie ist auf der Suche nach einem Partner, mit dem sie sich unterhalten kann, der mit ihr ins Kino und ausgeht und der ihr die gleiche Liebe entgegen bringt wie sie ihm. Christian Grey ist dagegen ein junger, erfolgreicher Geschäftsmann, in dessen Leben eine feste Freundin keinen Platz hat. Er lebt für seine Firma und seinen beruflichen Erfolg. Er braucht Kontrolle über alles in seinem Leben und hat kein Interesse an einer Liebesbeziehung. Er liebt seine Familie, die ihn adoptiert hat als er ein Kind war und der er sein Leben zu verdanken hat. Seine frühe Kindheit war geprägt von seiner drogensüchtigen Mutter, die als Prostituierte arbeitete und ihn fast verhungern ließ.

Im Buch werden beide Charaktere zu griffigen Persönlichkeiten. Dem Film fehlt dieser Aspekt komplett. Christian wirkt oberflächlich, arrogant und aufgesetzt, seine Sätze klingen unecht. Während er im Buch einschüchternd und anziehend zugleich ist, fehlt seiner Rolle im Film jede Konsistenz. Und auch die Rolle der Anastasia Steel enttäuscht. Sie bekommt zwar an einigen Stellen Persönlichkeit und erscheint stärker als im Buch, meist wirkt sie jedoch nur unsicher und mit der Situation überfordert. Beide Charaktere werden im Film nur oberflächlich dargestellt und ein Hineinversetzen in die Personen ist kaum möglich. Im Buch wird Anastasia außerdem als eine junge Frau dargestellt, deren Leben aus viel mehr besteht, als aus Christian Grey. Sie trifft Freunde, arbeitet, ist auf der Suche nach einem neuen Job, zieht nach Seattle und verbringt viele gemütliche Abende mit ihrer Mitbewohnerin. Der Film zeigt einige dieser Aspekte, sie machen jedoch nur ungefähr fünf Minuten der gesamten Filmzeit aus. Es entsteht viel mehr der Eindruck, als würde Anastasius Leben nur aus Treffen mit Christian Grey bestehen. Damit wird ihre Rolle auf einen Bruchteil der Rolle im Buch heruntergebrochen.

Und auch die Story des Films schafft es nicht annähernd den Leser so zu fesseln wie das Buch. Das liegt hauptsächlich daran, dass im Film auf viele Szenen, die das Innenleben der Protagonisten beschreiben, verzichtet wird. Im Film treffen sich Anastasia und Christian zwei Mal, unterhalten sich kurz und sind einander verfallen. Für den Zuschauer ist das weder nachvollziehbar noch nachfühlbar. Man muss es einfach akzeptieren, kann sich deswegen jedoch nicht in die Charaktere hinein versetzen. Im Buch wird der Leser wesentlich besser mitgenommen. Man bekommt einen Einblick in Anastasias Gedanken und Gefühle, erlebt mit, wie sie langsam ein Interesse für Christian entwickelt und fühlt mit ihr.
An vielen Stellen ist der Film zu schnell. Eine Handlung folgt der nächsten, das eigentlich wichtige - die Gefühle und Gedanken der Protagonisten - wird jedoch außen vorgelassen. Die Liebesgeschichte und Annäherung von Anastasia und Christian ist somit für den Zuschauer nicht nachvollziehbar.

Mein Fazit: Nett anzugucken, aber nicht mehr. Wer eine Liebesgeschichte ohne Happy End erwartet und sich über einige Helikopter-Szenen freuen kann, dem wird der Film gefallen. Wer jedoch einen Film sehen möchte, der einen mitnimmt und begeistert, der wird enttäuscht sein. Schade, denn das Buch hätte eine Vorlage für einen wesentlich besseren Film sein können.

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